Suchthilfestatistik 2024 für Baden-Württemberg

Riskant konsumierende Cannabis-Konsument:innen werden kaum mehr erreicht – suchterkrankte Frauen sind in der Suchthilfe weiterhin deutlich unterrepräsentiert

In den ambulanten Suchtberatungsstellen Baden-Württembergs wurden im Jahr 2024 über 61.000 Betreuungsprozesse dokumentiert – rund vier Prozent weniger als im Vorjahr. Der Rückgang betrifft vor allem cannabisbezogene Störungen. Gleichzeitig bleibt der Anteil suchtkranker Frauen niedrig – sie sind in der Suchthilfe weiterhin deutlich unterrepräsentiert.

In Baden-Württemberg wurden im Jahr 2024 über 61.000 Betreuungsprozesse in einer der rund 100 ambulanten Suchtberatungsstellen durchgeführt. Bei mehr als zwei Dritteln der Klientinnen und Klienten konnte dabei eine Verbesserung oder Stabilisierung des Suchtverhaltens erreicht werden.

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Betreuungsprozesse um rund vier Prozent zurückgegangen. Der Rückgang betrifft vor allem cannabisbezogene Störungen. „Seit dem Inkrafttreten des Cannabisgesetzes beobachten wir, dass junge Cannabiskonsumierende kaum noch in der Suchthilfe ankommen“, erklärt Annalena Volz, Vorsitzende der Landesstelle für Suchtfragen Baden-Württemberg (LSS). „Die gesetzliche Änderung hat zu Unklarheiten in Zuständigkeiten und in der Vermittlung von Jugendlichen durch Jugendhilfe und Justiz geführt. Damit diese jungen, riskant konsumierenden Menschen nicht durchs Raster fallen, braucht es landesweite Rahmenbedingungen, die Justiz, Jugendhilfe und Suchthilfe handlungsfähig machen.“

Trotz der rückläufigen Zahlen bleibt der Arbeitsaufwand in der Suchthilfe hoch: Die Betreuungen dauern länger, die Problemlagen der Klient:innen werden komplexer und erfordern intensivere Begleitung. Landesweit waren rund 510 Fachkräfte in über 100 Beratungsstellen sowie in den Justizvollzugsanstalten im Einsatz. „Die Fachkräfte leisten Enormes. Doch während der Aufwand pro Fall steigt, werden die Ressourcen immer knapper“, warnt Volz. „Wir brauchen dringend Planungssicherheit und eine stabile Finanzierung der ambulanten Suchthilfe.“

Alkohol bleibt Hauptthema der Suchtberatung: Fast jede zweite Person (49,7 %) kommt wegen alkoholbezogener Probleme in die Beratung. Auf Platz zwei folgt Cannabis (18,2 %), gefolgt von Opioiden (9,3 %) und Kokain (5,1 %). Das Durchschnittsalter der Hilfesuchenden liegt bei knapp 40 Jahren – die Jüngsten kommen meist wegen Cannabis, die Ältesten wegen Alkohol.

Trotz wachsender Sensibilität für das Thema bleibt der Anteil suchtkranker Frauen weiterhin niedrig: Nur ein Viertel der Hilfesuchenden sind weiblich. Frauen mit Suchtproblemen sind damit deutlich unterrepräsentiert.

„Suchterkrankungen bei Frauen verlaufen anders – oft verdeckt und mit Scham behaftet“, betont Volz. „Viele suchen erst dann Hilfe, wenn die Situation bereits sehr belastend ist. Die Frauen, die in der Beratung ankommen, zeigen häufig neben der Suchterkrankung deutliche psychische, körperliche und familiäre Belastungen. Wir brauchen mehr gendersensible Angebote, die Frauen gezielt ansprechen und unterstützen.“

Auch in den Justizvollzugsanstalten steigt der Bedarf: 4.639 Inhaftierte wurden 2024 suchtbezogen beraten – fast zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Rund 530 Personen konnten erfolgreich in eine Reha vermittelt werden.

In der psychosozialen Betreuung Substituierter wurden 6.362 Menschen begleitet – das entspricht etwa 60 Prozent aller im Land substituierten Personen. Diese Zahlen unterstreichen die kontinuierlich hohe Bedeutung der Suchthilfe, auch im medizinischen und forensischen Bereich.

Die LSS warnt vor den Folgen drohender Kürzungen in der kommunalen Suchthilfefinanzierung: „Suchtberatung ist keine Kür, sondern Pflichtaufgabe“, mahnt Volz. „Wer jetzt spart, riskiert langfristig mehr Leid und höhere Folgekosten – in Gesundheit, Familie und Gesellschaft.“

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